In seinen Adern scheint Kühlschmiermittel zu zirkulieren: Stefan Kempf ist mit Leib und Seele Chef des Lohnfertigers Norbert Kempf GmbH im saarländischen St.-Ingbert. Das Unternehmen beschäftigt etwa 100 Mitarbeiter und fertigt auf 2500 Quadratmetern Fläche Teile und Baugruppen für Kunden aus den Bereichen Pneumatik, Hydraulik, Automotive, Baumaschinen und Prototypenbau. Täglich verlassen etwa 2500 Teile den Betrieb.
Außerdem stellt Kempf Maschinenpaletten her. Fast zwei Jahrzehnte, von 1974 bis 1991, engagierte sich das Unternehmen im Sondermaschinenbau mit eigener Konstruktionsabteilung. Diesen Bereich hat Kempf zwar aufgegeben, profitiert aber noch heute vom erworbenen Know-how, wie Stefan Kempf erklärt: „Die Erfahrung aus dieser Zeit hilft uns heute in unserem Vorrichtungsbau, denn wir versorgen unsere Bearbeitungszentren mit eigenen Mehrteile-Spannvorrichtungen.“ Sie werden außerhalb der Maschinen bestückt und per Roboter in die Maschinen transportiert, um den Zerspanungsvorgang nicht länger als unbedingt nötig zu unterbrechen.
Auf den ersten Blick nichts Außergewöhnliches. Aber ein zweiter Blick lohnt sich. Fast alle Maschinen fertigen rund um die Uhr, der Nutzungsgrad liegt annähernd bei 100 Prozent. Trotzdem keinerlei Hektik in den Hallen, alle wirken konzentriert, aber entspannt, kurz: Der Laden läuft.
Sichere Prozesse sind das A & O
Stefan Kempf ist seit 1991 im Betrieb, der 1970 von seinem Vater Norbert im eigenen Wohnhaus, „zwischen Waschmaschine und Wäscheleine“, gegründet wurde. Seit fünf Jahren ist er alleiniger geschäftsführender Gesellschafter und macht kein Geheimnis aus seinem Erfolgsrezept: „Unsere Nutzungsgrade basieren auf absolut sicheren und reproduzierbaren Prozessen, die sich nur durch ein vernünftiges Werkzeugmanagement im Vorfeld erreichen lassen – dabei hilft uns TDM.“
Jahrelang analysierten er und seine Mitarbeiter immer wieder das Sperrlager auf der Suche nach Fehlerursachen. Ergebnis: „60 bis 70 Prozent aller Fehler entstehen durch schlechtes Werkzeugmanagement, Montagefehler, mangelhaften Rund- oder Planlauf, falsche Einzelkomponenten, oder weil das Werkzeug nicht pünktlich an der Maschine ist.“
Andere Faktoren spielten nur eine untergeordnete Rolle. „Maschinenpaletten und Werkstücke kann ich auch mal schnell mit dem Gabelstapler durch die Halle zur Maschine fahren, aber ohne Werkzeug steht meine Fertigung.“ Seit dieser Erkenntnis sind für ihn die drei wichtigsten Voraussetzungen für eine reibungslose Fertigung: das Werkzeug, das Werkzeug, das Werkzeug. Für jede Bestellung, die hereinkommt, wird ein Prozessplanungsauftrag ausgelöst, vom Produktionslenkungsplan über die Fehlermöglichkeits- und –einflussanalyse (FMEA) bis hin zur Konstruktion und CNC-Programmierung. „Unser ständiges Hauptthema“, so Kempf, „ist die rüstkostenneutrale Fertigung, die wir mithilfe von TDM abwickeln“. Die Maschinen stehen nur noch während der Erstrüstung für ein neues Teil. Alle weiteren Rüstvorgänge erfolgen außerhalb der Maschinen, während die Maschinen das tun, wofür sie gebaut sind: Zerspanen rund um die Uhr.
Fertigung mit System
2003 investierte Kempf erstmals in ein flexibles Fertigungssystem des Automatisierungsspezialisten Fastems – ein Bearbeitungszentrum mit zwölf Maschinenpaletten. 2011 war die maximale Ausbaustufe erreicht, allerdings noch ohne vorgelagertes Werkzeugmanagement. „Daraufhin starteten wir das in der Firmengeschichte größte Vorhaben, das ‚Projekt Kempf 2013‘ “– eine neue Fertigungshalle, das Fertigungssystem Fastems MSL/CTS und die Einführung des Werkzeugdatenmanagements TDM, das beide flexiblen Fertigungssysteme mit Werkzeugen versorgt.
Kern der Anlage ist ein Hochregallager, das die Maschinenpaletten mit den Spannvorrichtungen und das Rohmaterial aufnimmt. Ein Regalbediengerät transportiert die Paletten zu den sieben Bearbeitungszentren oder zu vier Ladestationen zum Bestücken. Im rechtwinklig dazu angeordneten zentralen Werkzeugspeicher finden 2500 Werkzeuge und ein Lagerroboter Platz. Der stählerne Kollege sortiert neue Werkzeuge ein und bringt verschlissene Werkzeuge zur Entnahmestelle. Werden Werkzeuge an den Maschinen gebraucht, übergibt er sie einem Gantry-Roboter, der auf Schienen über den Maschinen fährt und deren Magazine bestückt. Diese dienen lediglich noch als Puffer.
Organisiert wird dieser komplexe Werkzeugkreislauf durch TDM, das sämtliche wichtigen Werkzeugdaten einschließlich ihrer Restlaufzeiten kennt und genau weiß, wann und wo welches Werkzeug gebraucht wird. „Wir versehen jedes Werkzeug automatisch mit einem RFID-Chip, der alle relevanten Daten enthält“, erklärt Kempf. Sobald das Werkzeug am Bearbeitungszentrum ankommt, werden Geometriedaten und Standzeiten gelesen. „Vor allem aber wird bei gebrauchten Werkzeugen die verbliebene Standzeit mitgeteilt.“ Und das System denkt mit. Erreicht ein Werkzeug die Warnstandzeit, liefert der Roboter rechtzeitig ein Schwesterwerkzeug in die Magazinkette.
Unterschied zwischen Neu- und Gebrauchtwerkzeugen
Neue und aufbereitete Werkzeuge haben unterschiedliche Standzeiten – eine wichtige Erkenntnis, die das System berücksichtigt. An dieser Stelle führt kein Weg an der TDM-Software vorbei, die unterschiedliche Werkzeugzustände erfassen und dem jeweiligen Werkzeug zuordnen kann. „Wir wissen auf die Sekunde genau, welche Standzeit jedes Werkzeug noch hat und wie viel Standzeit wir zur Fertigung eines Teils brauchen. 36 Stunden im Voraus führt das System einen Ressourcenscheck aus, wieviel Standzeit eines Werkzeugtyps noch im System ist. Liegt das unter der benötigten Standzeit, bekommt unsere Werkzeugmontage automatisch eine Bedarfsmeldung und erfährt, wann genau das Werkzeug gebraucht wird.“
Die TDM-Software hilft auch dabei, die Werkzeuge sicher einsatzbereit zu machen. Die Einstellgeräte dienen nämlich nicht nur der Werkzeugmontage. Sie erhalten von TDM über eine Schnittstelle zahlreiche, zuvor festgelegte Merkmale der Werkzeuge, die eine Plausibilitätsprüfung ermöglichen. Dieser Abgleich zwischen realen Daten und den im TDM hinterlegten Solldaten stellt sicher, dass nur perfekt montierte Werkzeuge ins System gelangen. Kempf: „Ein zentraler Punkt für eine sichere Fertigung.“
Fazit: TDM verwaltet und steuert die Werkzeuglager bei Kempf. Im Fokus steht dabei die Versorgungssicherheit der Maschinen mit Werkzeugen. Engpässe und Probleme meldet TDM bereits weit im Vorfeld, sodass rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Die auftragsorientierte Werkzeugbereitstellung und Vorbereitung außerhalb der Maschinen vermeidet Folgerüstzeiten. So erreicht Stefan Kempf trotz durchschnittlich einem neuen Teil täglich eine fast 100-prozentige Auslastung seiner Maschinen.