„Angefangen hat alles ganz klein“, erinnert sich Günther Frühschütz, Meister Werkzeugverwaltung der GROB-Werke in Mindelheim. „1998 hat unser damaliger Werksleiter eine Einstiegsversion von TDM angeschafft. Die Software war auf die Anforderungen kleiner und mittlerer Betriebe zugeschnitten. Ideal also für einen Testlauf.“ Zu diesem Zeitpunkt standen in den Werkshallen von GROB noch deckenhohe Werkzeugschränke. „Verwaltet wurde da im Prinzip noch gar nichts“, so Frühschütz. Die Maschinenbediener holten sich die Werkzeuge selbst aus dem Schrank und legten ihre Marke in das leere Fach. Über diese Platzhalter ließ sich nachvollziehen, auf welcher Maschine sich eine Komponente gerade befand. „Nun hieß es, das System komplett umzustellen; das war eine Mammutaufgabe, wie ich sie in meinen über 40 Jahren Betriebszugehörigkeit nur einmal erlebt habe.“ Der Testlauf war erfolgreich. Die Leitung von GROB entschied, die Vollversion anzuschaffen und mit digital gesteuerten Lagerliften zu kombinieren. „Dieses System läuft – mit vielen Erweiterungen und Verbesserungen – bis heute als unverzichtbares Rad im Getriebe unserer Produktion.“
Tradition und Internationalität
Der Werkzeugeinsatz beim Maschinenbauer GROB ist hoch. Rund 25.000 Komplettwerkzeuge, zusammengesetzt aus 20.000 Komponenten, sind im Mindelheimer Werk, dem Stammsitz des international operierenden Familienunternehmens, im Einsatz. Das Produktportfolio reicht von Universal-Bearbeitungszentren bis zu hoch komplexen Fertigungssystemen mit eigener Automatisierung. Größter Kunde ist die Automobilindustrie. Weltweit beschäftigt GROB 4.600 Mitarbeiter, über 3.300 davon in Mindelheim. Weitere Produktionsstätten befinden sich in São Paulo in Brasilien, Bluffton in den USA und Dalian in der VR China. Seit Jahren ist GROB auf Wachstumskurs. Allein in Mindelheim wurden in den vergangenen Jahren die Produktionskapazitäten um über 35 Prozent ausgebaut und 900 neue Arbeitsplätze geschaffen.
Das globalisierte Werkzeug
Dieses Wachstum und die Internationalität des Unternehmens sind auch eine Herausforderung für die Werkzeugverwaltung. Alle Werke werden zentral von Mindelheim aus gesteuert. „Unser Ziel ist“, so Georg Wilbiller, Systembetreuer Werkzeugverwaltung bei GROB, „dass die in Deutschland gefahrenen Programme inklusive der eingesetzten Werkzeuge eins zu eins nach Brasilien, in die USA und nach China übernommen werden können.“ Täglich erreichen Wilbiller Anfragen aus den Schwesterwerken. Bevor ein Komplettwerkzeug in Übersee zum Einsatz kommt, wird zunächst in Mindelheim geprüft, ob es den internen Vorgaben entspricht. Einmal freigeschaltet, können die auswärtigen Werke alle in Mindelheim hinterlegten Daten abrufen.
Vom Bildschirm auf die Maschine
Doch zurück nach Mindelheim. Das Herzstück des laufenden Tool Lifecycle Managements bei GROB steht wie eine Insel inmitten der Produktionshalle. Hier finden sich Büros, Rüst- und Vorrichtplätze und ganz zentral die sechs Meter hohen Lagerlifte, in denen Tausende von Einzelkomponenten darauf warten, zu Komplettwerkzeugen zusammengebaut zu werden. Der erste Schritt im Werkzeugkreislauf erfolgt zunächst virtuell und in einer anderen Abteilung, der CNCProgrammierung. Hier werden neue Fertigungsaufträge am CAD/CAM-System erstellt. Die Programmierer greifen über TDM auf einen Pool von über 25.000 real verfügbaren Komplettwerkzeugen zu. Die 3D-Modelle werden über eine Schnittstelle vom TDM-System ins CAD/CAM-Programm – bei GROB sind das Siemens NX 8.5 und TopSolid’Cam 7 – übernommen.
Den Shopfloor unter Kontrolle
Geht der Auftrag an die Produktion, landet er in TDMshopcontrol. Das Modul erfasst den gesamten Werkzeugkreislauf. „Als wir mit TDM anfingen, hatten wir das Modul TDMshopcontrol noch nicht“, erinnert sich Frühschütz. „Da wurden teilweise zu viele Werkzeuge nach Auftragsende demontiert und zurückgeräumt. Mit TDMshopcontrol, das die neuen Aufträge immer mit dem Werkzeugbestand an der Maschine abgleicht, hatte das ein Ende.“ Den Auftrag für die Montage holt sich der zuständige Facharbeiter noch als Zettel. Am Lagerlift beginnt die digitale Unterstützung. Der Mitarbeiter öffnet den TDM-Auftrag, und sofort fahren die Lagertablare nach vorne. Die Werkzeugkomponenten werden entnommen und ausgebucht. Muss der Mitarbeiter von einem Lift zum anderen wechseln, ‚wandert‘ auch der TDM-Auftrag zum jeweils nächsten Bildschirm mit.
Gut montiert ist halb produziert
Sind alle Komponenten auf dem Wagen, geht es zur Werkzeugmontage. Auch hier steht dem Facharbeiter ein TDM-Arbeitsplatz zur Verfügung, auf dem unter anderem die Konstruktionszeichnung des zu montierenden Werkzeugs zu sehen ist. Sind alle Werkzeuge eines Auftrags zusammengesetzt, geht es zur Werkzeugvoreinstellung. Über eine Schnittstelle holt sich das Voreinstellsystem die Sollwerte aus der TDMDatenbank und setzt, nach erfolgreicher Vermessung, den Status des Komplettwerkzeugs auf voreingestellt. Die Messwerte gehen aus dem TDM-System dann an die Programmierung und werden in Maschinendaten konvertiert.
Auslaufmodell Maschinencrash
Der Programmierer kann über das TDM Vorrichtungsmodul auf 3D-Modelle aller Plattensysteme und Halter zugreifen und diese im CAM-System zusammenbauen. TDM bildet die direkte Schnittstelle zwischen der ‚virtuellen‘ Programmierung am Bildschirm und der ‚realen‘ Produktion an der Maschine. Ein riesen Vorteil, wie Günther Frühschütz betont: „Der Programmierer kann die Daten aus TDM übernehmen und direkt seine Kollisionsbetrachtungen machen. Seit wir diesen Prozess eingeführt haben, ist unsere Crash-Quote sehr stark zurückgegangen.“ Das erspart der Belegschaft an der Maschine nicht nur Ärger, sondern vor allem bares Geld. Denn jede Kollision bedeutet hohe Schäden und Maschinenstillstand – und Maschinenstunden sind teuer. Mit den über TDM geplanten und extern vorgerüsteten Plattensystemen dagegen laufen die Maschinen einfach und bringen das, was GROB letztlich möchte: Wertschöpfung.